Friedrich Wilhelm Eduard Fuß

Rittergutsbesitzer in Blösien von 1828 - 1867

Kindheit und Jugend in Halle

 

Friedrich Wilhelm Eduard Fuß wurde am 31.03.1802 in Halle geboren. Die Mutter verstirbt nur wenige Monate nach seiner Geburt. Seine Kindheit und Jugend verbringt er in Halle. Dass er Friedrich Wilhelm hieß ist nicht verwunderlich, der damals herrschende König hieß auch so.

 

Als Wohnadresse wird der Schulberg 106,107 und 108 angegeben. Gleich gegenüber wird demnächst das Hauptgebäude der Universität gebaut. Nicht die feinste Adresse aber doch sehr zentral gelegen. Ein Ort mit Potenzial und heute vollständig umgebaut – UniCampus.

 

Die wirtschaftliche Lage in Halle war seinerzeit nicht rosig und wird durch den napoleonischen Krieg noch schlechter. Napoleon und sein Bruder kommen über die Stadt, es herrscht Hunger und Not, die Zukunft ist ungewiss. Doch der Vater ist eine sichere Bank in dieser Zeit.

 

Mit 15 Jahren wird Eduard in die lateinische Schule der berühmten Frankischen Stiftung in Halle aufgenommen [1]. Zu dieser Zeit besuchten 351 Schüler die Schule. Davon kamen 109 aus der Stadt Halle und 32 aus der Waisenanstalt, die anderen 210 Zöglinge, also fast 2/3 der Schülerschaft, wohnten in der Pensionsanstalt und kommen aus dem nahen und weiten Umland der Stadt.

Die Direktoren der Schule waren zu Eduards Schulzeiten der berühmte August Hermann Niemeyer der später auch Rektor der Universität wurde und Georg Christian Knapp 1799-1825.

So wie ich die Baugeschichte der Frankischen Stiftung verstehe, ist das Gebäude in dem er ausgebildet wurde, das ureigenste Stammhaus des Waisenhauses [2]. Das aktuelle Gebäude der lateinischen Schule wurde erst 1906 erbaut. Eduard hat die wunderbaren Dingen der Kunst- und Naturalienkammer bestaunen können und sich Bücher aus der jetzt historischen Bibliothek ausgeliehen.

 

[1] http://www.francke-halle.de/francke.htm/archiv/matrikel/latina/seiten/indexlat.html; Recherchequellen: AFSt/S L 7, S. 251

[2] http://www.francke-halle.de/main/index2.php?cf=1_3

 

Stammhaus des Waisenhauses
Stammhaus des Waisenhauses

Leider ist bis dato nicht mehr über die weitere Ausbildung des Friedrich Wilhelm Eduard Fuß herauszubekommen.

Er heiratet Maria Justine Eleonora Barth in Hedersleben am 29.06.1828. Er ist da schon 26 Jahre alt und sie ist gerade 20 Jahre geworden. Blösien war fruchtbares Land. Die beiden hatten 8 Kinder.

 

Der Gutshof der Ehefrau in Hedersleben

 

Doch zuerst sollten hier ein paar Worte zur Herkunft der Ehefrau geschrieben werden. Die Ehefrau des Friedrich Eduard Fuß kommt aus dem beschaulichen Ort Hedersleben. Ackerland überall, heutzutage ist hier im Sommer alles Gelb und es riecht nach 5% grünem Pflichtöl. Dafür fehlen die Randstreifen der Äcker in Gänze.

Vor 150 Jahren war noch mehr Baumbestand und Hecke zu finden. Die Struktur der Äcker kleinteiliger. Die Wege und Ackergrenzen wichtiger Gegenstand von Verhandlungen. Oekonomie noch schwere körperliche Arbeit. Die Landwirtschaft erwirtschaftete den größten Anteil am Bruttoinlandprodukte Preußens.

 

Das Internet gibt uns einen überraschenden Einblick in die damaligen Lebensumstände der Ehefrau. Auf dem Innenhof des Gutes der Familie Barth stehen Kälber und Kühe. In einer kleinen Tabelle wurden die Wirtschaftshöfe in Daten gefasst [3]. über 10 000 Rt Grundsteuer Reinertrag, 168 ha Landbesitz, 16 Pferde, 68 Rindviecher, 35 Schweine. Maria Justine kannte sich aus mit dem Leben auf dem Lande.

 

[3] Güter – Adressbuch der Provinz Sachsen 1906, Paul Niekammer, Stettin; Sämtliche Güter der Provinz Sachsen mit den Regierungsbezirken Magdeburg, Merseburg und Erfurt.

 

Barth`s Gut damals
Barth`s Gut damals
Auszug aus dem Adressbuch der Provinz Sachsen 1906
Auszug aus dem Adressbuch der Provinz Sachsen 1906

Auch das Gut Barth in Hedersleben hat seine Geschichte, aber ich werde mich mit kurzen Einblicken begnügen müssen. Geht man durch das Dorf findet man noch Hinweise auf weitere Güter. Lange Mauern grenzen die damaligen Wirtschaftseinheiten noch immer sichtbar ein. Sogar die Tore sind noch ein wenig erhalten. Vor allem von den Güterbesitzern und Müllern haben sich auf dem Friedhof hinter der Kirche noch die Grabsteine erhalten. Die Grablage der Familie Barth ist besonders prächtig und zeugt von großem Ansehen oder halt eben größerer Prunksucht.

Grablage der Familie Barth in Hedersleben
Grablage der Familie Barth in Hedersleben

Der Name der Familie Barth in Hedersleben hat auf jeden Fall eine sehr lange Tradition in Hedersleben. So findet er sich in einer alten Urkunde von 1642 über den Verkauf von Landgut. Der Gemeindekirchenrat Barth hat einen Stifterhinweis in die Glocke von 1879 einschmelzen lassen und es gibt aus dem Jahre 1873 eine Unterzeichnung einiger Barths auf einem Kriegsdenkmal. Im Hintergrund steckt noch eine kleine Auflistung der Barth‘schen Familie. Die Familie wird noch 1929 mit gleichem Landbesitz in Hedersleben genannt - Paul Barths Erben Gut: 168 ha.

Über den Bildungsweg der Maria Auguste ist wie so häufig gar nichts herauszufinden. 

 

Was das Kirchenbuch von Blösien erzählt

 

Nach einer kurzen E-Mail an Steffen Bruns, ich hatte ihn schon einige Male als Genealogen des Geiseltals erwähnt, bekomme ich, nach kürzester Zeit, eine Sammlung von Kirchenbucheinträgen zu Geburten, Hochzeiten und Sterben aus dem Kirchenbuch von Blösien zugesandt. Ich wusste aus der Familienchronik von einer nicht geringen Anzahl an Kindern aber bis dahin fehlten die genauen Daten.

 

Es stellte sich heraus, Blösien war für die Familie Fuß ein guter Ort. Es gab Kinder über Kinder, Hochzeiten und wieder Kinder. 

Die Familie wuchs an. Im folgenden Schemata sind die Kinder und ihre Lebensdaten aufgeführt. Sie alle sind in Blösien geboren worden. Es ist nicht verwunderlich das in dieser Zeit der Ostflügel des Rittergutes angebaut wurde.

Kirchenbuch Blösien Nr. 5 1837
Kirchenbuch Blösien Nr. 5 1837

 

Für jedes Kind werden im Kirchenbuch mindesten 5 Paten genannt. Natürlich sind die Großväter und andere Verwandte aufgeführt. Daneben kann man aus den genannten Personen auch etwas über das Umfeld der Familie erfahren.

 

Familienmitglieder als Paten

 

Die ersten Kinder der jungen Ehe haben die Großväter Johann Gottfried Barth (1773-1854) und Johann Daniel Fuß als Paten bekommen. Die Großmütter Marie Auguste Christiane Barth und Rosine Fuß geb. Weber waren beide schon früh verstorben. Von möglichen zweiten Ehen der Wittwer ist nichts bekannt.

 

Zur Geburt von Eduard Emil Fuß 1845 lässt sich Wilhelm Fuß als Pate notieren. Er ist Polizei-Director in der Stadt Halle. Das ist ein bedeutendes Amt in der Stadt. Die Patenschaft ist der erste, aber der deutlichste Hinweis darauf, dass er ein Bruder des Rendanten ist. Von beiden ist aus den Mitteilungen der Hallischen Patriotischen Wochenblätter und den Adressbüchern dieser Zeit einiges an Lebensdaten zu erfahren. Sie sind im gleichen Alter, ihre Karriere und ihre Anstellungen in der Stadt Halle zeigen deutliche Parallelen. Ihre Verwandtschaft ist allerdings noch nicht 100% belegt. Von Wilhelm ist die Geburt und ein früher Tod der Tochter Henriette Caroline mit 17 Jahren bekannt.

 

Als Patin kommt ebenfalls sehr häufig die Schwester des Eduard Fuß, Charlotte Louise vor. Sie heiratete am 12.06.1825 den Kaufmann Heinrich Jaenisch in Halle. Sie stirbt am 15.04.1849 in Halle und hatte mindestens zwei Söhne Hugo und Oscar.

 

Es ist nicht überraschend, dass neben der Familie auch der Pastor von Blösien und Reipisch Christian Wilhelm Erdmann und dessen Frau Wilhelmina Friederike Elisabeth als Paten auftreten. Später dann auch der neue Herr Pfarrer Robert Julius Gröschel. Man pflegt seine Beziehungen. 1854 bekommt die Kirche von Blösien vom Amtmann Fuß eine neusilberne Communiunkanne geschenkt.

 

Gutsbesitzer als Paten

 

Aus den Berufen weiterer Paten kann man einen Eindruck über die freundschaftlichen oder geschäftlichen Beziehungen der Familie Fuß gewinnen.

 

So lässt sich durch die Patenschaft des Oekonomen Carl Friedrich Otto zu Höhnstedt und später auch seiner Tochter Emma als Zeichen einer langjährigen Zusammenarbeit auffassen. Der Ort Höhnstedt liegt eher an Holleben oder Lauchstädt und es ist eine Bekanntschaft aus „alter“ Zeit vorstellbar. Als Oekonom wurden früher die Bewirtschafter von Landgütern bezeichnet.

 

Dafür kommt Johann Friedrich Philipp Hauptmann, als Rittergutbesitzer bezeichnet, aus dem benachbarten Geusa. Aus dem ebenfalls nahen Oberfrankleben reist Ludwig Heinrich Hermann zur Taufe an, ebenfalls Rittergutbesitzer. (Eigentlich waren letztere wohl eher Pächter der Güter, Besitzer von Geusa war zu dieser Zeit Graf von Zech-Burkersroda und Otto von Bose gehörte Oberfrankleben.) 

 

Weitere Paten waren der Gutsbesitzer Adolf Bodenstein zu Hedersleben, Herr Doktor Carl Friedrich Emmanuel Se(h)lling Rittergutbesitzer zu Naundorf und Herr Amtmann Friedrich Frau(n)ne Rittergutbesitzer zu Geisel bei Böhlitz.

 

Man bleibt unter seines Gleichen. Der Kontakt zu den Angestellten des Rittergutes oder zu den Familien des Ortes bleibt dienstlich. 

Auch die neuen „nicht adligen“ Gutsbesitzer beschränken ihren Bekanntenkreis auf ihresgleichen. Selbst Vertreter der adligen Familien kommen als Paten der Familie nicht vor. Und dies obwohl der Besitz des Rittergutes auch eine politische Funktion und einen Funktion als Schöppe, eines „kleinen“ Gerichtes trägt. Im Landrat Merseburg sitzt man auch mit den Besitzern des kleinen oder auch größeren Landadels zusammen. Man grüßt sich aber man pflegt keinen Umgang miteinander.

 

Rittergutsbesitzer, nur ein Titel ?

 

Friedrich Wilhelm Eduard Fuß (1802-1877) und Maria Justine Eleonore Barth (1808-1879)

 

Friedrich Wilhelm Eduard Fuß erwirbt mit dem Besitz des Rittergutes zudem eine politische Funktion. In den offiziellen Veröffentlichungen zu Ämtern und Regierungsvertretern wird er jetzt immer wieder genannt. Im folgendem sollen zwei politische Funktionen aufgezeigt werden.

 

Mitglied der Ritterschaft

 

Um die Bedeutung der Ritterschaft zu verstehen, ist ein kleiner Exkurs in die politische Struktur des Landes notwendig. Langweilig ich weiß. Für die Besitzer des Rittergutes von wesentlicher Bedeutung, stellt die Gesetzeslage sie mit dem Kauf des Gutes gleichzeitig in eine politische Funktion

 

Blösien und auch Hedersleben gehörten ab 1816 zu Preußen. In seiner Verwaltungsstruktur bestand Preußen aus 12 Provinzen und den dazugehörigen Regierungsbezirken. Für die „preußische“ Provinz Sachsen waren das Magdeburg, Erfurt und Merseburg. Eine weitere Untergliederung erfolgte in Stadtkreise und Landkreise und ihre Gemeinden.

So gehörten zum Landkreis Merseburg ca. 180 Gemeinden und (jetzt kommt das Besondere) auch 50 Gutsbezirke. Neben der Gemeinde Blösien besteht also auch noch der Gutsbezirk Blösien mit 26 Einwohnern.

Ein Rittergutbesitzer bekam automatisch ohne sich einer Wahl zu stellen eine gewichtige Stimme in der Regierung.

 

Die Regierungsmitglieder des Kreises Merseburg werden in

A: Kreis-Behörden und

B: Kreis-Stände unterschieden.

 

Die Kreis-Stände wurden wiederum in folgende Gruppen unterschieden

 

a) Stand der Prälaten, Grafen und Herren (1 Abgeordneter),

b) Ritterschaft (45 Abgeordnete),

c) Städte (10 Abgeordnete für Lauchstädt, Merseburg, Lützen, Schaffstedt und Schkeuditz zusammen)

d) Landgemeinden (4 Abgeordnete)

 

So ist das Machtgefüge der Kreistage deutlich auf die Seite der Junker verschoben, zumal die Stimmen des Prälaten und der Ritterschaft noch zusätzlich höher gewichtet wurden. Zum Kreis Merseburg gehörten dazumal 20200 Einwohner in den Städten und 35700 in den Landgemeinden.

Aber das ist alles ganz egal, letztendlich zählte das Wort von Friedrich Wilhelm dem IV und der Rest durfte mal eben eine Bitte oder untertänigste Empfehlung anbringen. Unruhen in Berlin durch Arbeiter und Bourgeoisie entfacht, führten zu erheblichen Zugeständnissen durch das Königshaus. Aber erst 1927 wird das junkersherrliche Regierungssystem aufgelöst.

In der Abbildung ist ein Ausschnitt aus amtlicher Verlautbarung zu bewundern.

 

Unser Ahn Fuß ist mit Blösien zugehörig zur Ritterschaft aufgeführt.

Ausschnitt aus dem Handbuch für die Provinz Sachsen 1854, S.239, Emil Bensch Verlag
Ausschnitt aus dem Handbuch für die Provinz Sachsen 1854, S.239, Emil Bensch Verlag

 

Ob die Besitzer von Rittergütern in unserer Familie die Rechte und Pflichten ihre Provinzial-Standschaft vertreten haben, ist nicht mehr so ganz nachzuprüfen. Für Merseburg war das Zechsches Palais von 1825-95 Sitz des Provinzialständetages und der Provinzialverwaltung der preußischen Verwaltung; das war keine halbe Stunde Weg vom Gut Blösien entfernt. Der Herr Rittergutsbesitzer Eduard Fuß wird dort wohl einige Male dort gewesen sein. Bis dahin wird der Herr Amtmann Fuß aus Blösien seinem Stande gemäß herumgelaufen sein, wie immer man sich das vorstellen möchte. 

 

Die Arbeit als Schiedsmann

 

Ein zweites nun aber juristisches Amt des Eduard Fuß ist das eines Schiedsmannes. Aus dem Amtsblatt der Königlichen Regierung zu Merseburg für das Jahr 1846 konnte entnommen werden, dass unser Ahne aus Blösien zum Schiedsmann für den ersten Merseburger Bezirk verpflichtet wurde. [4]. Schiedsmann ist wieder so ein Dienst, der sich in seinen Aufgaben über die Zeit stark ändert. Grundsätzlich wurden Schiedsmänner eingesetzt, um Streitsachen zu klären oder weiter an die Gerichte zu verweisen. Ein kleiner Text im Amtsblatt kann uns einen Eindruck des Umfanges der Tätigkeit vermitteln. Von einzelnen Schiedsmännern wurden teilweise mehr als 70 „Streitsachen“ im Jahr behandelt. Das war bestimmt mit viel Zeit und Arbeit verbunden. Inwieweit unser Ahn sich in diese Arbeit gestürzt hat, ist nicht zu ergründen [5].

 

[4] Amts-Blatt der Königlichen Regierung zu Merseburg für das Jahr 1846, S.120

[5] Amts-Blatt der Königlichen Regierung zu Merseburg für das Jahr 1846, S.102

 

Auszug aus dem Amts-Blatt der Königlichen Regierung 1846, S. 120
Auszug aus dem Amts-Blatt der Königlichen Regierung 1846, S. 120

 

Eduard Fuß, jetzt wieder wohnhaft in Halle

 

Nach arbeitsreicher Zeit verlässt der Vater das Gut und zieht in die die Stadt. Diese Art Lebenslauf erscheint nicht untypisch für die damalige Zeit. Ein Blick in die Adressenbücher der Stadt Halle verweisen immer wieder auf ehemalige Güterbesitzer oder Witwen mit Wohnungen in guter Lage.

Ab 1867 wird ein Ed. Fuß Rittergutsbesitzer wohnhaft Leipziger Platz 2a und ab 1870 wohnhaft in der Bahnhofstraße 9 in den Adressbüchern aufgeführt. Er hat also mit 65 Jahren das Gut verlassen. Nach seinem Tod 1877 wird bis 1880 seine Witwe weiter in der Wohnung leben, ab 1880-188 wird die unverheiratete Tochter Auguste als Bewohnerin genannt. Aus den Patenschaften ergibt sich ebenfalls der Hinweis, dass eine der Töchter Namens Auguste mit nach Halle gezogen ist.

Die Fußen's bewohnten in der Bahnhofstraße ein Haus mit zwei weiteren Familien, Lösche -Ziegeleibesitzer und eine gewisse Rubel (unverehelicht), die Besitzerin des Hauses. Sie wohnten also zur Miete. Nach Merseburg fuhr 6 mal täglich ein Zug. Von dort war es nur noch eine kurze Kutschfahrt nach Blösien. Sie werden die Reise nicht nur zu den Geburten der Enkelkinder gemacht haben.