Der Besitz des Rittergutes wird an den Sohn Friedrich Eduard Otto Fuß weitergegeben. In einer Heimat Chronik der Umgebung wird eine pachtweise Übertragung auf den Sohn, Leutnant beim 32. Landeswehrregiment schon 1863 beschreiben [11]. Bis 1871 wird er als Pächter des Rittergutes in das Kirchenbuch eingetragen. Ab 1872 wird er dann Besitzer des Rittergutes genannt. Die Bezeichnung Amtmann trägt er allerdings schon seit 1864. 1874 kommt noch Amtsvorsteher des Regierungsbezirkes Kötzchen hinzu.
Jugend
Aus den Archiven der Frankischen Stiftung ist der 28.04.1851 als Tag der Aufnahme des Schülers Eduard Otto Fuss in die Höhere Realschule des Waisenhauses überliefert. Er war damals 15 Jahre und verließ die Schule zwei Jahre später zu Ostern 1855 wieder. Das war scheinbar ein Teil des üblichen Bildungsweges, auch sein älterer Bruder Hugo war von April 1849 bis April 1852 in gleicher Schule. Inwieweit sie beim Großvater oder im Internat des Waisenhauses wohnten ist nicht bekannt [1]. Über den weiteren Bildungsweg herrscht erst einmal noch Ratlosigkeit.
Anbei noch ein paar wichtige Personen die in dieser Zeit in Blösien wirkten. Dazumal gab es 191 Einwohner in Blösien. Die Pfarrstelle ist immer noch ein Privatpatronat von 943 Thalern jährlich mit 2 Kirchen und einer Schule. 1851 geht der Pfarrer Robert Julius Gröschel an die Pfarre Schkeitbar, für ihn kommt der Pfarrer Gottlob August Schinke, welcher aus Schkopau kam. 1871 verstirbt dieser und der Pfarrer Otto Kulisch ehemaliger Diaconus von Mücheln mit seiner Ehefrau Theres geb. Schröter aus Eisleben kommt nach Blösien. Der Lehrer der Schule hieß Herr Luft und der Ortsvorsteher Kellermann [2].
Geschwister
Der Bruder Hugo Fuß heiratet 1861 Emilie Langguth und wird schon hier als Gutsbesitzer von Beiersdorf bei Grimma bezeichnet. Das Gut erweist sich als ebenso erfolgreich wie Blösien. Viele Kinder, viel Landwirtschaft und der Besitz eines Steinbruchs stehen am Ende dieser Ehe zu Buche. Es ist aus dieser Linie bekannt, dass die Söhne entweder eine Ausbildung (Theologie) oder ein Gut (Herzberg) als Erbe bekommen.
Die Schwester Auguste Anna heiratet 1860 Dr. Richard Triebel seines Zeichens praktischer Arzt, Wundarzt und Geburtshelfer. Sie lebten in Merseburg in der Gotthardtstraße 37, ihr Grabstein ist auf dem Friedhof St. Maximi noch zu finden (geb. 1833 - gest. 1917) [3]. Der Ehemann wurde als Arzt der Armen in Merseburg hoch geehrt. Noch heute ist eine Straße nach ihm benannt.
Die jüngste Schwester Auguste Emma teilt das Schicksal vieler Töchter, sie bleibt bei den Eltern im Haushalt und stirbt unverheiratet in Halle.
[1] Fränkische Stiftung Halle, AFSt/S B I 98, S.234 Nr.1731, AFSt/S B I 98, S.190 Nr.1361
[2] Handbuch der Provinz Sachsen: 1854 Verlag Baensch, 1854
[3] Adressbuch Merseburg 1910
Die Familie der Ehefrau Matthaei
Die Herkunft der Ehefrau des Friedrich Eduard Otto Fuß kann wiederum aus den Patenschaften zu den Geburten ermittelt werden. Der Stammbaum der Ehefrau Auguste Matthaei ist noch klein. Die verwandtschaftlichen Beziehungen wurden bis hierher lediglich aus den Eintragungen als Paten erahnt. Daten zu Geburt und Heirat sind nicht wirklich bekannt.
Aus dem Kirchenbuch Blösien ist zu ersehen, dass die Familien Fuß und Matthaei schon recht früh miteinander im Kontakt stehen. Schon die Großeltern und auch der Vater von Auguste werden als Paten genannt.
Der Großvater wird als Kaufmann in Eisleben und später als Rittergutsbesitzer in Zscherben bezeichnet, das ist ganz in der Nähe von Blösien. Der Vater Julius Gotthelf ist Pächter des Rittergutes Kriegsdorf. Die Mutter heißt Johanne Friederike Auguste geb. Grosike. Hier kommen wir in den Bereich der großen Mutmaßungen. Der Urgroßvater Herr Dr. Rudolph Grosike der in den Jahren 1864 und 1872 als Pate auftritt war königlicher Salinenvogt zu Dürrenberg. Da lässt sich doch durchaus eine innige Bekanntschaft mit dem Rendanten der Saline zu Halle annehmen. Die Urgroßväter verbandeln ihre Kinder. Es war nicht die Zeit der freien Partnerwahl, der Ehen aus Liebe und lauter Überschwang. Damals wurden Ehen noch "ordentlich" arrangiert.
In Kriegsdorf also erblickt die spätere Ehefrau Auguste Friederike 1830 das Licht der Welt. Als Bruder lässt sich noch Julius Matthaei, späterer Amtmann in Merseburg und eine Schwester Anna herauslesen. Die Schwester wird ebenfalls einen Pächter, dieses Mal des Rittergutes zu Groß-Goddula heiraten.
Das Rittergut Kriegsdorf war zu dieser Zeit im Besitz von Curt Ferdinand von Byer (er kaufte es 1817), dazumal war er auch schon Herr von Zabakuck. Ich schreibe das hier nur hin weil es so ganz wunderbar klingt. Herr von Zabakuck - den Ort gibt es wirklich. Übrigens hatten die Pächter eines Gutes nicht automatisch ein politisches Amt.
Kriegsdorf wurde 1950 zu Friedensdorf umbenannt (was für eine eigenartige Idee) und ist heute zu Leuna eingemeindet. Das auf dem Kupferstich von 1863 (Theodor Albert, Verlag Alexander Duncker) zu bewundernde Herrenhaus wurde wohl 1945 zur Ruine, andere Gebäude Wohnhäuser und Stallungen des Rittergutes gibt es allerdings noch [4].
[4] https://www.leuna.de/de/datei/anzeigen/id/27178,1201,1/chronik_friedensdorf.pdf
Die Hochzeit findet am 22. April 1860 statt. Auch in der zweiten Generation der Familie Fuß in Blösien wurden viele Kinder zur Welt gebracht. Im Zeitraum 1864 bis 1876 werden 8 Kinder geboren. Mindesten ein Kind verstirbt früh. Für Rudolph Fuß gibt es den Eintrag eines Schulbesuches 1876 in der Sexta des Dom-Gymnasium Merseburg.
Im Amtsblatt von 1874 ist zu lesen, dass der Rittergutsbesitzer Fuß jetzt Amtsvorsteher des Amtsbezirkes Kötzchen ist. Zu diesem Regierungsbezirk gehören Zscherben, Atzendorf, Gut Geusa, Geusa, Gut Blösien, Blösien und natürlich Kötzchen. Als sein Stellvertreter (Stellvertreter des Standesbeamten) wird ab 1875 der Herr Kellermann berufen [5].
Das Rittergut Blösien zur Jahrhundertwende
An dieser historischen doch eher späten Stelle lässt sich zum ersten Mal eine genaue Angabe zur Größe des Rittergutes machen [6]. In der kleinen Abbildung kann man eine kleine Liste hierzu bewundern.
Das Rittergut umfasste 122 ha Ackerland und ergab jedes Jahr 6000 Mark Reinertrag. 15 Pferde, 53 Rindvieh davon 42 Kühe und 22 Schweine wurde dort gehalten. Der Betrieb wird als Milchwirtschaft bezeichnet. Es wird also hinter dem Rittergut ähnlich wie in Hedersleben ausgesehen habe.
Hochzeiten
Die Söhne heiraten nach Tradition auch wieder Töchter von Gutsbesitzern. In diesem schönen Fall gab es sogar zwei Hochzeiten mit den Schwestern Maria Martha Luise (Mietze) und Lucy Luise Friederike Schwinning in einem Jahr (1895). Die beiden waren die ältesten Töchter von 6 Kindern. Ihr Vater erwarb das Rittergut in Zützer in Westpreußen von Freiherrn von der Golz. Das Gut wird mit einer Größe von 32000 Morgen und nach dem 1. Weltkrieg noch mit 16000 Morgen Land beziffert. Zum Rittergut gehörten 30 Gebäude, darunter ein Gästehaus für 60 Personen. Und zum Gut wurden fasst 450 Einwohner gezählt. Auf einem Ausschnitt einer alten Karte lässt sich die Größe des Gutes einmal abschätzen [7]. Viele Häuser, scheinbar auch die eingezeichnete Kirche sind verschwunden. Die Struktur des Gutes lässt sich aber noch sehr genau zuordnen. Sogar die sich kreuzenden Wege des Parkes sind auf den aktuellen Karten von Google Map noch zu erkennen. Der Ort heißt heute Szczuczarz.
[7] http://kartenforum.slub-dresden.de/
Auch die Töchter heiraten, wie nicht weiter überraschend, Gutsbesitzer. Carl Otto Armack ist Sohn des Traugott Alfred Armack Rittergutsbesitzer in Wiedebach bei Weißenfels. Hermann Boetes ist Besitzer der Domäne Roßbach bei Weißenfels und Max Otto Eduard Donner wird als Stadtgutbesitzer in Eilenburg bezeichnet.
Letztes Kapitel der Familie Fuß in Blösien
Der Hausherr stirbt kurz vor der Jahrhundertwende mit nur 62 Jahren. Im Kirchenbuch ist der Zusatz Hauptmann a.d. zu finden. In einer Heimat Chronik der Umgebung wird er als Leutnant des 32. Landeswehrregiment bezeichnet. Offensichtlich hat er zwischendurch noch eine militärische Laufbahn gemeistert.
Wie das obige behördliche Verzeichnis auflistet, ist das Rittergut 1906 noch im Besitz der Auguste Fuß, geborene Matthaei. Der Eintrag verw. Hauptmann deutet darauf hin das auch die militärische Karriere weitergeführt wurde. Ein Otto Fuß wird als Gutsvorsteher angegeben. Ob es sich hierbei um Paul Otto oder den älteren Bruder Otto Richard handelt ist noch nicht klar. Die Witwe hat noch die Hand auf dem Gut. Inwieweit sie selbst noch in Blösien lebt und arbeitet lässt sich nicht sagen. Ihr Sterbedatum und Ort ist noch nicht bekannt. 1906 war sie immerhin schon 76 Jahre alt.
Der Verkauf des Gutes erfolgte um 1906 [8]. Ab 1813 wird Carl Böhmer als ein nächster Besitzer genannt. Der Verkauf wurde über die Firma Friedmann & Nußbaum vermittelt. In der Heimatchronik gibt es den Hinweise, das die feudale Lebensweise des Sohnes zu einem frühen Verkauf zwang [11]. Schon 16 Jahre danach, 1929 geht das Gut an die I. G. Farbenindustrie AG Frankfurt a. M.
Im Geiseltal hatte sich seit 1856 eine erfolgreiche Zuckerindustrie entwickelt. Die Böden und die klimatischen Bedingungen erwiesen sich als besonders geeignet für den Anbau von Zuckerrüben. Die politischen Verhältnisse führen zu einer Nachfrage an im Inland produzierten Zucker. So wurde Ackerland im Geiseltal, (zum Beispiel auch die Länderrein des Rittergutes Geusa) für den Anbau von Zuckerrüben genutzt. Die Gutsbesitzer selbst gründeten Gesellschaften oder sie verkauften oder verpachteten ihre Güter mit Gewinn.
Die Versorgung der Zuckerindustrie mit naher Kohle führt in gleichem Maße zur Entwicklung der Braunkohleindustrie [9]. Probebohrungen überraschen mit Kohleflößen mit mächtigen 110 Meter Dicke. An dieser Kohlemenge zeigt sich die AG-Gesellschaft BASF im Besonderen interessiert. Es kommt zu Aufkäufen großer Flächen zur Kohlgewinnung.
Um Merseburg und Leuna entsteht eine alles verschlingende Chemieindustrie. Die Dörfer werden zu Wohnstätten der Industriearbeiter. Die BASF fusioniert 1926 zum Chemiegiganten I.G. Farbenindustrie AG Frankfurt a. M. Für diesen war das Rittergut Blösien nur ein ganz kleiner Happen. Die Länderrein des Gutes wurden nach Gruhle (noch 99 Hektar) zur Nutzung an die Zuckerindustrie verpachtet [10]. Die Gebäude des Rittergutes werden zu Prüflaboren umfunktioniert. Hier wurden jetzt chemische Analysen und Produktkontrollen durchgeführt. Ich würde denken, dass dieser Zeitabschnitt von Zeitzeugen um Blösien herum besser und genauer erzählt werden kann. Ich würde mich freuen, wenn ich dazu anregen könnte. Ich bin mir sicher, dass es zu einem chemischen Rittergut einige Anekdoten zu erzählen gibt.
Was aus Güterbesitz wurde ?
Die weitere Familiengeschichte der Fußens lässt sich bezugnehmend zum Rittergut folgendermaßen zusammenfassen. Die Töchter heiraten Besitzer von Gütern. Die Söhne studieren oder bekommen ein Rittergut vererbt. So steht es in einem Schriftstück aus dem Jahre 1933. Im Alter verlassen die Eltern das Gut und ziehen in die Stadt.
Friedrich Eduard zieht mit seiner Frau nach Halle. Der Bruder Hugo Fuß, der Besitzer des Rittergutes in Beiersdorf verkauft dieses und bezieht mit Frau und zwei Töchtern eine Wohnung in Grimma. Auch zwei seiner Söhne werden wieder Güter bewirtschaften.
Die Weltwirtschaftskrise und der zweite Weltkrieg beenden diesen scheinbar vorgezeichneten Generationenvertrag. Die Bodenreform und Enteignungen in der DDR vertreiben die Gutsbesitzer. Die Lebensläufe werden vollständig verändert.
Die Funktion eines Rittergutes gibt es nicht mehr. Es hat als wirtschaftliches, politisches und juristisches Zentrum des Dorfes ausgedient. Seine wechselvolle Geschichte geschrieben. Es ist sehr spannend welche Aufgabe es nunmehr bekommen wird.
Ich möchte an dieser Stelle meine Ausführungen zur Geschichte des Rittergutes Blösien beenden. Die Zuckerindustrie übernimmt die Landwirtschaft. Die Güter werden verkauft und oder großflächig zusammengefasst. Die Braunkohleindustrie wühlt sich durch die Gegend. Das Rittergut wird zum Chemielabor. Eine Geschichte die unbedingt noch geschrieben werden sollte.
Nach der Wende stand es lange zum Verkauf. Jemand kümmerte sich um den Rasen. Ein Käufer wurde gefunden und erfüllt es mit neuem Gemeindeleben.
Die Äcker drum herum blühen weniger in Zuckerrübenweiß sondern in Rapsölgelb. Energie aus Blumen und nicht mehr aus Kohle. Ob nachhaltig oder nicht nachhaltig – daran wird noch gerechnet.